Diesen risikoreichen Vorstoß in die Tiefsee können die Besucher des Deutschen Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven neuerdings nachempfinden: In einem abgedunkelten Zylinder im Erweiterungsgebäude läuft auf Knopfdruck eine audio-visuelle Vorführung des Tauchgangs vor vierzig Jahren ab - zusammengestellt aus originalen Bildsequenzen und animierter Grafik und szenisch ergänzt um ein Modell der "Trieste".
Die Inszenierung gehört zu den Highlights im Ausstellungsbereich "Geschichte der Meeres- und Polarforschung". Während auf dem Bildschirm der kommentierte Film abläuft, senkt sich langsam ein präzise gearbeitetes Modell der "Trieste" in das Blickfeld des Betrachters. Das Original des Bathyskaphen - es ist übrigens im Marinemuseum in Washington noch vorhanden - sank damals mit Fahrstuhlgeschwindigkeit in die Tiefe - rund fünf Stunden benötigte die "Trieste", um von der Wasseroberfläche zum tiefsten Punkt der Meere abzusinken. Der Tauchgang war gewissermaßen ein umgekehrter Ballonflug: Zunächst mit Hilfe von Ballast (Eisenschrot) in die Tiefe, und nach dessen Abwurf durch ein Auftriebsmittels leichter als Wasser (Benzin) wieder zurück an die Oberfläche. Insgesamt achteinhalb Stunden verbrachten die Bathynauten in kalter Finsternis.
Der Aufenthalt am Tiefseeboden dauerte nur 20 Minuten, die zu einigen Messungen genutzt wurden. Im fahlen Lichtkegel des Bordscheinwerfers erkannten Piccard und Walsh eine Garnele und einen Plattfisch, der gemächlich in die Dunkelheit entschwebte - eine wichtige Entdeckung, denn sie bedeutete, daß auch in 11 Kilometern Tiefe Sauerstoff vorhanden ist, es also einen Austausch mit der Oberfläche geben muß und dadurch Leben möglich ist.
Das "Abenteuer der 'Trieste'" - so auch der Titel der Vorführung - war übrigens ein amerikanisches Prestigeprojekt in den Zeiten des Kalten Krieges. Die Sowjetunion hatte die USA im Weltraum übertrumpft, als sie 1957 als erste einen Satelliten, den Sputnik, in die Erdumlaufbahn gebracht hatte. Dem konnte eine Weltmacht wie die USA natürlich nicht tatenlos zusehen, so daß man admiralstabsmäßig einen Rekord im "Inner Space", also der Tiefsee, plante und schließlich auch erreichte.
Das Deutsche Schiffahrtsmuseum nahm sich dieser Episode des ersten und einzigen bemannten Vorstoßes von Menschen bis in diese Tiefe jedoch auch aus einem ganz praktischen Grund an: Zwar war das ganze Unternehmen eine amerikanische Sache, aber die "Trieste" selbst war eine europäische Entwicklung, und das Herzstück des Ganzen war ein deutsches Präzisionsprodukt: Die Druckkugel stammte aus dem Hause Krupp - was jetzt nach mehr als vierzig Jahren dazu führte, daß die Krupp-Stiftung sich bereitfand, die Inszenierung finanziell abzusichern. Das Modell der "Trieste" wurde von Jochen Lein im Erzgebirge gefertigt, das historische Bildmaterial mußte großenteils aus den USA beschafft werden, und die Filmproduktion lag in den Händen der bremischen Firma AV Schröder.
Die szenische Vorführung ist im übrigen Teil eines Ausstellungsbereichs, in dem das Phänomen des Wasserdrucks anschaulich werden soll. Dazu dienen eine Druckdemonstration, eine symbolhafte Darstellung des Drucks in großen Tiefen und ein druckzerstörter Kugelkörper aus einer Tiefsee-Verankerung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.
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